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Titel: Fiktive Reparaturabrechnung
Verfasst am: 29.09.2003, 23:05 Uhr #56
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Anmeldung: 25. Sep 2003
Beiträge: 122
Wohnort: Berlin
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BGH, Urteil vom 29. April 2003, Az.: VI ZR 393/02
Leitsatz des Gerichts:
Der Geschädigte kann zum Ausgleich des durch einen Unfall verursachten Fahrzeugschadens die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwerts verlangen, wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt und weiter nutzt. Die Qualität der Reparatur spielt jedenfalls so lange keine Rolle, als die geschätzten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen.
Problemstellung:
Beim Ersatz von Reparaturkosten für einen PKW war bisher streitig, ob sich der Geschädigte bei der Höhe des ersatzfähigen Schadens den Restwert seines Fahrzeugs anrechnen lassen muss, wenn er dieses reparieren lässt und weiter nutzt.
Der Kläger verlangt Schadensersatz für einen Unfallschaden von der beklagten Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners. Den Schaden am PKW des Klägers schätzte ein Gutachter auf 24.337,24 DM, wobei eine zusätzliche Wertminderung von 1.500 DM verblieb. Der PKW hatte einen Restwert von 8.000 DM, der Wiederbeschaffungswert betrug 30.300 DM. Der Kläger, ein Karosseriebaumeister, setzte das Fahrzeug selbst ordnungsgemäß wieder instand. Er verlangt von der Beklagten unter Einbeziehung von Mitwagen-, Abschlepp- und Sachverständigenkosten insgesamt 31.028,83 DM. Die Beklagte erstatte vorprozessual lediglich 25.611,59 DM. Die auf die Erstattung des Restbetrages gerichtete Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Die Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.
Der Kläger kann in voller Höhe Schadensersatz von der Beklagten verlangen, ohne auf den Wiederbeschaffungsaufwand (= Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) beschränkt zu sein.
1. § 249 BGB legt fest, dass derjenige, der einen Schaden zu ersetzen hat, den Zustand wiederherstellen muss, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Kann der Geschädigte wegen eines Kraftfahrzeugschadens Schadensersatz verlangen, so hat er grundsätzlich die Wahl zwischen zwei Arten der Naturalrestitution: die Reparatur des Fahrzeugs oder die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges. Dabei ist der Geschädigte in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei und kann über die erhaltenen Mittel ebenfalls frei verfügen. Er selbst kann darüber entscheiden, ob und wie er sein Fahrzeug reparieren will. Allerdings ist der Geschädigte grundsätzlich auf die Art der Schadensbehebung beschränkt, die den geringsten wirtschaftlichen Aufwand verursacht, da nur diese zur Wiederherstellung i. S. v. § 249 II 1 BGB erforderlich ist. Auch ist bei der Berechnung des Schadensersatzes das Bereicherungsverbot zu beachten, das besagt, dass der Geschädigte an dem Schadensfall nicht verdienen soll. Diese Grundsätze stehen zueinander in einer Wechselwirkung; das Ziel der Schadensrestitution muss sein, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht.
2. Der Kläger kann hier die vom Gutachter angesetzten Reparaturkosten in voller Höhe verlangen, gleichgültig, ob die Reparatur in vollem Umfang den Anforderungen des Sachverständigen entsprochen hat oder ob er das Fahrzeug selbst lediglich in einen fahrtauglichen Zustand versetzt hat. Sein Anspruch wird dabei nicht durch die Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes begrenzt.
a) Diese Frage wurde bisher in der Rechtsprechung kontrovers entschieden. Eine überwiegende Ansicht sprach dem Geschädigten Schadensersatz lediglich bis zur Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes zu, da der Restwert des Fahrzeugs noch in seinem Vermögen vorhanden sei. Für einen höheren Schadensersatz müsse er sein Fahrzeug fachgerecht instandsetzen lassen. Die Gegenmeinung billigte dem Geschädigten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes zu, da ansonsten unzulässig in seine Dispositionsfreiheit eingegriffen werde.
b) Der entscheidende Senat schließt sich der letzteren Auffassung an. Der Geschädigte muss sich nicht den Restwert seines Fahrzeugs anrechnen lassen, auch wenn er dieses nicht in vollem Umfang fachgerecht reparieren lässt. Wird der PKW vom Geschädigten tatsächlich repariert und weiter genutzt, so stellt sich der Restwert lediglich als hypothetischer Rechnungsposten dar, den der Geschädigte nicht realisiert und der sich daher in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf. Ein Anspruch auf Ersatz des zur Wiederherstellung benötigten Betrages besteht erst dann nicht mehr, wenn dies im Vergleich zum Wiederbeschaffungswert unverhältnismäßig wäre. Hiervon kann bei einem Wiederherstellungsaufwand von bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes eine Ausnahme gemacht werden, wenn der Geschädigte ein besonderes Interesse am Erhalt des vertrauten PKW geltend machen kann.
3. Der Kläger kann somit ohne Begrenzung durch den Wiederbeschaffungsaufwand Ersatz der Reparaturkosten verlangen, da er sein Fahrzeug wieder in einen Zustand der Verkehrs- und Betriebssicherheit versetzt hat und auch weiterhin nutzt.
Anmerkung des Bearbeiters:
Zur Abrechnung fiktiver Reparaturkosten vgl. das Urteil BGH VI ZR 398/02. |
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Titel: Schadensersatz nach Verkehrsunfall
Verfasst am: 29.09.2003, 23:06 Uhr #57
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Webmaster
Anmeldung: 25. Sep 2003
Beiträge: 122
Wohnort: Berlin
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Schadensersatz nach Verkehrsunfall
BGH, Urteil vom 29. April 2003, Az.: VI ZR 398/02
Leitsatz des Gerichts:
Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag.
Problemstellung:
Das Urteil entscheidet die Frage, welche (fiktiven) Reparaturkosten ein Geschädigter geltend machen kann, der das Unfallfahrzeug nicht wieder instand setzen lässt.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten – dem Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherung – Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Die Kosten für die Reparatur an ihrem Wagen schätzte ein Sachverständiger unter Zugrundelegung der Stundensätze des „Porsche-Zentrums“, in das die Klägerin das Fahrzeug gebracht hatte, auf 30.686,30 DM. Die beklagte Versicherung zahlte hingegen nur 25.425,60 DM, wobei sie auf den von der DEKRA ermittelten durchschnittlichen Stundensatz aller regionalen Fach- und Markenwerkstätten verwies. Die Klägerin ließ den PKW nicht reparieren und veräußerte ihn weiter. Ihre auf Zahlung des Differenzbetrages gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg, die Berufung der Beklagten führte zur Klageabweisung. Mit der Revision wurde das amtsgerichtliche Urteil wiederhergestellt.
Die Klägerin kann die vollen Kosten für eine Reparatur in der Fachwerkstatt verlangen.
1. Die Klägerin hat grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der anfallenden Reparaturkosten – gleich ob sie ihr Fahrzeug voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. Ihre Abrechnung der Wiederherstellungskosten entspricht dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Zwar muss sich die Klägerin hier anders als im Urteil BGH VI ZR 393/02 (vgl. in diesem Newsletter) den Restwert ihres PKW anrechnen lassen, da sie diesen nicht weiter nutzte und durch den Verkauf den Restwert realisieren konnte. Die Reparaturkosten liegen aber gleichwohl unter dem Wiederbeschaffungsaufwand.
2. Der ersatzfähige Schaden ist nicht auf die durchschnittlichen Reparaturkosten beschränkt. Der Geschädigte ist in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung und in der Verwendung des Schadenersatzes grundsätzlich frei.
a) Allerdings ist der Geschädigte im Rahmen des Zumutbaren gehalten, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Hierfür ist aber in der Regel ausreichend, wenn er den Schaden auf der Basis eines fachgerechten Gutachtens abrechnet. Das Bemühen um eine wirtschaftliche Schadensregulierung darf nicht dazu führen, den Anspruch des Geschädigten auf möglichst vollständigen Schadensersatz zu verkürzen. Daher ist bei der Frage, ob der Aufwand zur Schadensbeseitigung gerechtfertigt ist, eine individuelle Betrachtung des Falles anzustellen.
b) Die Klägerin muss sich hier nicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen lassen. Eine Reparatur zu den von den Beklagten vorgetragenen Konditionen würde von der Klägerin einen unzumutbar hohen Aufwand erfordern, da diese dann zunächst verschiedene Werkstattangebote einholen und diese dann preislich vergleichen müsste. Sie durfte vielmehr die Stundensätze des „Porsche-Zentrums“ als ihrer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Daran ändert auch nichts, dass die Klägerin fiktive Reparaturkosten abrechnet. Der Schädiger ist zu vollem Schadensersatz verpflichtet, gleichgültig, ob der Geschädigte den Schaden beheben lässt oder nicht. Eine Beschränkung des Geschädigten auf den mittleren Wert der Reparaturkosten würde diesen unzulässig in seiner freien Wahl der Schadensbehebung einschränken – zumal der statistisch ermittelte Wert nicht den tatsächlichen Kosten entspricht.
Eine Kürzung der Stundensätze kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Klägerin nicht dargelegt hat, dass eine Reparatur außerhalb des „Porsche-Zentrums“ mit einem höheren Minderwert für das Fahrzeug verbunden sei. Sobald der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten die Erforderlichkeit der Reparaturkosten nachgewiesen hat, obliegt es vielmehr dem Schädiger, eine dennoch vorliegende Unwirtschaftlichkeit und damit einen Verstoß gegen das Gebot der Schadensminderung darzulegen und zu beweisen.
Schließlich ändert die Weiterveräußerung des unreparierten Fahrzeugs durch die Klägerin nichts an der Schadenshöhe, die diese geltend machen kann. Die Schadensberechnung richtet sich allein nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot und nicht nach der Verwendung des Ersatzes durch den Geschädigten.
Anmerkung des Bearbeiters:
Zur Anrechnung des Restwertes bei Weiternutzung des PKW vgl. das Urteil BGH VI ZR 393/02 |
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