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Titel: Schuldlos am Unfall, trotzdem in der Haftung
Verfasst am: 29.09.2003, 22:58 Uhr #48
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Neue Rechtsprechung
Biker: Schuldlos am Unfall, trotzdem in der Haftung
Schadensersatzrecht ein Nachteil für Biker?
Bundesrat billigt neues Schadensersatzrecht.
Essen, 9. August 2002 – Ein Motorradfahrer steht an der Ampel und wartet auf Grün. Plötzlich der Knall – ein Autofahrer hat sowohl rote Ampel als auch Biker übersehen und ist aufgefahren. Die Schuldfrage ist schnell geklärt. Der Motorradfahrer wurde ohne sein Verschulden angefahren und bekommt den Schaden ersetzt. So einfach ist das, oder vielmehr war es: Denn ab dem 1. August 2002 gilt ein geändertes Schadensersatzrecht. Dann könnte für den Biker eine Mithaftung in Frage kommen.
Ein unabwendbares Ereignis
Auch bisher schon musste der Halter eines Kraftfahrzeuges bei von ihm nicht verschuldeten Unfällen uneingeschränkt haften. Begründet war dies durch die in § 7 StVG ausgesprochene Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs. Es sei denn, es lag ein „unabwendbares Ereignis“ im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes vor. Die Rechtsprechung ließ bislang bei typischen Unfallsituationen so genannte Anscheinsbeweise zu, mit denen der Unabwendbarkeitsbeweis mühelos geführt werden konnte. Wenn unser Biker bei Rot an der Kreuzung gestanden hat und der Autofahrer in das Heck des Motorrades gefahren ist, so konnte die Unabwendbarkeit nachgewiesen werden.
Jeder kann nun haften
In der am 1. August 2002 in Kraft getretenen Änderung des Schadensersatzrechtes wurde der Unabwendbarkeitsnachweis nun ausgeschlossen. Der Wortlaut des neuen Gesetzes könnte dazu führen, dass auch bei Unfällen zwischen motorisierten Verkehrsteilnehmern jeder der beiden Kraftfahrer über die Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs haften und mithaften könnte. Sein eigener Schaden würde vom Unfallverursacher nur anteilig ersetzt. Umgekehrt müsste seine Haftpflichtversicherung einen Teil des Schadens des Verursachers erstatten. Die alte Rechtssicherheit geht nun verloren.
Der Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer
Die Absicht der Gesetzesänderung war es, schwächere Verkehrsteilnehmer, besonders Kinder, aber auch generell Fußgänger und Radfahrer, bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen besser zu schützen, da der Kraftfahrer künftig nahezu immer haftet.
Kinder sind nun tatsächlich deutlich besser gestellt. Das neue Schadensersatzrecht nimmt Rücksicht auf kindliches Verhalten. Es legt deshalb fest, dass Kinder erst dann für Schäden im Straßenverkehr haften, wenn sie verantwortliche Teilnehmer am Straßenverkehr sind. Dies ist erst ab zehn Jahren der Fall.
Nachteil für Motorradfahrer
Die neue Rechtslage trifft aber motorisierte Zweiradfahrer. Nach Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes zur Unfallsituation im deutschen Straßenverkehr wurden bei nahezu 70 Prozent der Fälle mit Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer Motorradfahrer nicht als Hauptverursacher ermittelt. Das geänderte Straßenverkehrsrecht könnte dazu führen, dass die Motorradhalter in Zukunft für einen Teil ihres Schadens selbst aufkommen müssen, auch wenn der Unfall ein “unabwendbares Ereignis“ war.
Der verbesserte Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer ist zu begrüßen. Der Industrie-Verband Motorrad kritisiert allerdings, dass künftig das „unabwendbare Ereignis“ wegfallen soll. Die in diesem Punkt unklare Begründung zur Neuauflage des Schadensersatzrechts lässt befürchten, dass es vermehrt zu Prozessen kommen wird, weil diejenigen, die den Unfall eindeutig selbst verursacht haben, nun versuchen könnten, Ansprüche gegen das Opfer durchzusetzen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Gerichte gerade bei den häufigen Verkehrsunfalltypen wie Auffahrunfällen und Vorfahrtsverletzungen, die bisher zu 100% reguliert wurden, ihre Rechtsprechung nicht ändern werden.
(mho) |
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